Nelly Wicky, ab 1971 eine der ersten Nationalrätinnen nach der Einführung des Frauenstimmrechts, starb am 27.Januar 2020. Sie setzte sich nachhaltig ein für die Rechte der Frauen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und in ihrer Partei, der Partei der Arbeit.
Geboren 1923, war sie das zweite Kind von Robert und Hélène Rosset. Sie bewunderte ihren Vater, den SBB-Angestellten und überzeugten Sozialisten. Unter den Jungen, die Kontakt mit den Rossets hatten, war auch der Sanitärinstallateur-Lehrling Robert Wicky, Nelly studierte Pädagogik. Robert Rosset blieb Sozialdemokrat nach der Spaltung der Partei 1939 und der Gründung der Sozialistischen Föderation der Schweiz, die 1941 verboten wurde. Der «Nicolist» Robert Wicky war 1944 unter den Gründer*innen der Partei der Arbeit. Nach der Diplomierung 1946 lehrte Nelly während dreissig Jahren an Primarschulen der Arbeiter*innenquartiere des Kantons Genf.
Sie pflegte guten Kontakt mit den Eltern ihrer Schüler*innen und kannte die Lebensbedingungen der Familien mit geringem Einkommen. Dies ermöglichte ihr, später gezielte Vorstösse im Genfer Gemeinderat zu lancieren. Ab 1963 gehörte sie während dreissig Jahren diesem Parlament an. Ihre berufliche und politische Verantwortung wurde nicht beeinträchtigt durch die Geburt ihrer zwei Söhne.
Vier Nationalrätinnen
1971, gleich nach der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts, wurde Nelly glänzend in den Nationalrat gewählt, sogar besser als ihre Genossen Jean Vincent und Roger Dafflon. Dort traf sie die frisch gewählten Zürcher Sozialdemokratinnen Hedi Lang und Liliane Uchtenhagen sowie die junge Walliserin Gabrielle Nanchen. Diese vier Frauen engagierten sich hartnäckig für die Schaffung einer Mutterschaftsversicherung und die Entkriminalisierung der Abtreibung. 1975 wurde dieser Schwung unterbrochen, Nelly Wicky verpasste ihre Wiederwahl. Sie vermutete, die Wähler*innen hätten die Wiederwahl von Roger Dafflon oder Jean Vincent nicht gefährden wollen. Während die SP ihre weibliche Vertretung regelmässig erneuerte, blieb die PdA in ihrem männlichen Turm isoliert, bis zwanzig Jahre später Christiane Jacquet in den Nationalrat einzog.
Ohne Instrumentalisierung
Nach dieser Wahlniederlage widmete sich Nelly Wicky dem ausserparlamentarischen und gewerkschaftlichen Kampf. Dank ihrer Begabung, zuhören zu können und Meinungsverschiedenheiten auszugleichen ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, verstand sie es zu führen ohne sich aufzudrängen. Um sie herum versammelten sich die aktiven jungen Feminist*innen in sehr heterogenen Gruppen, Frauen der traditionellen Linken rund um PdA und SP, Trotzkist*innen, Maoist*innen, Anarchist*innen und lesbische Aktivist*innen. Durch ihr gemeinsames Agieren machten sie die Erfahrung, dass man in der organisierten Linken arbeiten kann ohne sich instrumentalisieren zu lassen.
Verbündete Frauen
Die Frauen, die sich als «links» bezeichneten, realisierten, dass es besser war, sich die bürgerlichen Frauen im Kampf um gemeinsame Ziele zu Verbündeten zu machen als sich ihnen überlegen zu fühlen. In ihrer Partei wurde Nelly Wicky von Marianne Schlechten, Eugénie Chiostergi und Anne-Cathérine Menétrey unterstützt. Dies erleichterte es ihr, den Genossen Frauenanliegen näher zu bringen und einen institutionalisierten Austausch- und Debattierraum für die Frauen zu beanspruchen.
Nach dem Tod ihres Mannes Robert 1983 musste Nelly lernen, «allein» zu leben. Sie war immer für Genoss*innen und Freunde da. Sie blieb gut in die Gesellschaft integriert und klagte die Isolation und Ächtung der Senior*innen an. Sie wurde nicht müde zu wiederholen, man müsse seine Nachfolge organisieren, man müsse die Jungen überzeugen, sich für die Konsolidierung der Errungenschaften zu engagieren und sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Quelle: Gauchebdo, Übersetzung: dab