In Lausanne haben Faschist*innen Morddrohungen gegen linke Aktivist*innen unter anderem an die Wand des Rathauses gesprayt. Betroffen davon ist auch ein junger PdA-Genosse. Der vorwärts sprach mit ihm. Hinter der verwerflichen Aktion steckt auch die Nazigruppe Junge Tat, die offensichtlich versucht, in der Westschweiz Fuss zu fassen.
«Tod den Kommunist*innen (Marendaz, Dridi, & Co.)». Dies war am Samstagmorgen, 5. März, durch eine Sprayerei an der Wand des Rathauses in Lausanne zu lesen. Unterzeichnet wurde die Morddrohung mit einem Symbol der rechtsextremen Szene. Über die Täter*innenschaft kann es daher keinen Zweifel geben.
Sündenbock gesucht
Mit Mathilde Marendaz (21) und Zakkaria Dridi (20) wurden zwei junge Aktivist*innen Zielscheibe der Rechtsextremen. Marendaz ist die Kandidatin des linken Bündnis Ensemble à Gauche Vaud (EàG) für die Kantonsregierung und Dridi kandidiert für das kantonale Parlament auf der Liste der POP (Parti Ouvrier et Populaire), der Kantonalsektion der Partei der Arbeit der Schweiz. Die Wahlen fanden am 20. März statt.
«Ich bin doch ziemlich erschrocken und war auch erstaunt, meinen Namen in Zusammenhang mit Morddrohungen von Faschist*innen zu lesen. Ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, warum gerade mein Name gewählt worden ist, auch weil ich in letzter Zeit nicht mehr öffentlich aufgetreten bin. Und natürlich war ich sehr wütend auf die Faschos», erzählt der junge PdA-Genosse Dridi im Gespräch mit dem vorwärts über seine erste Reaktion auf die Sprayereien. «Ich vermute, dass die Faschos einen Sündenbock suchen, auf den sie ihre Wut und ihren Hass gegen den Kommunismus und den Antifaschismus fokussieren können.» Doch auch einige Tage nach der Tat findet er keine Antwort auf die Frage, warum gerade er und Marendaz namentlich genannt werden.
Nach einem möglichen Grund und dem Zeitpunkt der Drohungen gefragt, erklärt Dridi: «Es ist möglich, dass die bevorstehenden Wahlen eine Rolle spielen. Aber ich gehe davon aus, dass auch der Krieg in der Ukraine eine wichtige Rolle spielt.» So wurden auch ausserhalb Lausanne Wahlplakate der Partei verschmiert, und zwar mit «Putin = Kommunist». Dridi: «Die Faschos behaupten also, Putin sei ein Kommunist und dass wir daher den Krieg von Putin unterstützen. Das ist zwar irrwitzig absurd, aber auch ein klarer Versuch, Wut und Hass uns gegenüber zu schüren.»
Die Sprayerei am Rathaus war kein Einzelfall. In der Stadt wurden zahlreiche weitere Tags mit demselben Inhalt entdeckt, die stets zum Tod von Antifaschist*innen und Kommunist*innen aufriefen. Es blieb jedoch nicht bei den zu verachtenden Schmierereien: «Zur gleichen Zeit wurden unserem Kandidaten per SMS Gewaltandrohungen geschickt», informiert die POP in ihrer Medienmitteilung. Die Partei sprach Genosse Dridi «ihre volle Solidarität» aus und fordert von den Behörden, gegen «die Drohungen der Rechtsextremen vorzugehen (…) und vorbehaltlos zu verurteilen.»
Die Sache ernst nehmen
Die rechtsextreme Gruppe, die hinter den Morddrohungen steckt, tritt laut Dridi seit den Demonstrationen gegen die Covid-Massnahmen in Lausanne in Erscheinung. Am 8. März haben die Faschist*innen auch die feministische Kundgebung zum internationalen Frauen*tag in der waadtländischen Kantonshauptstadt gestört. «Die Faschos sind ein grosses Risiko eingegangen, indem sie die Morddrohung unter anderem an die Wände des Rathauses gesprayt haben. Sie sind aktiv und extrem gewaltbereit. Die ganze Sache ist ernst zu nehmen», sagt Dridi dem vorwärts. Und sie suchen die direkte Gewaltkonfrontation mit linken Aktivist*innen. So war im SMS an Dridi, das dem vorwärts vorliegt, zu lesen: «Wir sind in der Nähe vom Riponne-Platz und warten auf euch. Kommt, damit wir es ein für alle Male regeln können.»
Die Neonazi-Gruppe aus der Waadt hat eine direkte Verbindung zur Jungen Tat in der Deutschschweiz. So wurde zu den Sprayereien auch zahlreiche Kleber der Jungen Tat und der Nationalen Aktionsfront (NAF) gesichtet. Auch auf den Kleber der NAF wurde auf den Twitter-Account der Jungen Tat hingewiesen. Man muss daher davon ausgehen, dass die Junge Tat an der Aktion direkt beteiligt war. Die jungen Faschist*innen aus dem Raum Winterthur/Ostschweiz sorgen in den letzten Monaten immer wieder für Schlagzeilen: Am 22. Januar übernahm die Junge Tat die Spitze der Demonstration von Mass-nahmengegner*innen in Bern. Für den 12.Februar mobilisierte die faschistische Gruppierung zu einer Demo nach Zürich. Rund 30 Aktivist*innen der Jungen Tat kamen dann auch in die Limmatstadt und am Hauptbahnhof kam es zu einer kurzen gewalttätigen Auseinandersetzung mit Antifaschist*innen (siehe vorwärts-Nr. 05/06).
Behörden scheinen wenig motiviert zu sein
Der junge Genosse Dridi bestätigt dieser Zeitung, dass er Strafanzeige eingereicht hat. Man darf gespannt sein, wie die waadtländische Justiz in diesem Fall vorgehen wird. Wird sie mit der gleichen Verbissenheit, Härte und Repression die Täterschaft verfolgen, wie es die Baseler Staatsanwaltschaft gegen Antifaschist*innen tut? Zur Erinnerung: Am 24. November 2018 verhinderten rund 2000 Teilnehmenden der «Basel Nazifrei»-Demo den Aufmarsch der rechtsextremen Pnos. Etliche Demonstrierende wurden nachträglich kriminalisiert. Schweizweit gab es Hausdurchsuchungen und hohe Strafanträge der Basler Staatsanwaltschaft. In der Prozessreihe wurden Demoteilnehmer*innen mit abschreckenden Haftstrafen, Geldbussen und hohen Gerichtskosten verurteilt.
Droht dies nun den Faschist*innen in der Waadt auch? Wohl weniger, denn: «Mir scheint, dass die Behörden wenig motiviert sind, den Fall anzugehen», sagt PdA-Genosse Dridi dem vorwärts. Gefragt nach dem Grund seiner Behauptung, erklärt der 20-Jährige: «Dank seiner langjährigen Erfahrung rechnete mein Anwalt, dass ich gleich nach Erhalt meiner Strafanzeige oder spätestens einen Tag danach von der zuständigen Behörde kontaktiert würde. Doch auch fünf Tage nach Erhalt meiner mehrseitigen Strafanzeige hat sich noch niemand bei mir gemeldet.»