dab. Der Neuenburger PdA-Nationalrat Denis de la Reussille ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Er engagiert sich für die Interessen der Arbeitnehmer*innen, für Ökologie und eine bessere Kontrolle der Wirtschaft. Im Gespräch mit dem vorwärts erzählt er aber auch von der Ominpräsenz der Lobbyist*innen im Bundeshaus.

Was gefällt dir am Parlamentsbetrieb, was weniger?
Die Vielfalt der behandelten Geschäfte ist wirklich sehr spannend. Als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission interessieren mich insbesondere die Themen, welche die Wirtschaftsbeziehungen und den Freihandel betreffen. Besonders beschäftigte mich zum Beispiel die in den vergangenen Monaten debattierte Problematik des Imports von Palmöl und ihre Folgen für die Produktion in der Schweiz. Und ich habe grosse Mühe, die Omnipräsenz von allen möglichen Lobbyist*innen im Parlament zu akzeptieren.

Welche deiner Vorstösse des vergangenen und laufenden Jahrs ergaben die grösste Reaktion im Rat und in den Medien?
Ich hatte die Gelegenheit, den Bundesrat anzugehen in der Sache SBB-Cargo. Meine Interpellation nannte ich ‹Kahlschlag bei SBB Cargo›. 2018 kündigte die Direktion von SBB Cargo ein Restrukturierungsprogramm an, das die Aufhebung von 800 Stellen von heute bis 2030 vorsieht. Die ersten dieser Massnahmen trafen die Neuenburger Bergregion, den Kanton Jura und den Berner Jura. Die Folgen sind Schliessungen von Dutzenden von Güterbahnhöfen. Es geht hier nicht nur eine Restrukturierung, sondern auch um einen veritablen Kahlschlag von Bedienpunkten, der natürlich einhergeht mit gravierenden sozialen Konsequenzen. Diese umfassen die Liquidierung von hunderten von Arbeitsplätzen, aber auch die ökologische Absurdität einer Verlagerung von tausenden Tonnen von Gütern auf die Strassen. Im Zusammenhang mit dieser Interpellation konnte ich sehr viele Anfragen von Medien beantworten.

Veränderte sich durch deine Vorstösse zu SBB und SBB Cargo etwas bei der SBB und in den Köpfen von Verkehrspolitiker*innen?
Ich denke, meine Vorstösse zur Problematik von SBB und SBB Cargo bewirken vor allem bei Medien Bewusstseinsveränderungen über die Unsinnigkeit der Politik, die SBB Cargo aufgeben und gleichzeitig den Güterverkehr auf die Strasse verlagern will – dies in einer Zeit, in der der Kampf gegen die Klimaerwärmung absolute Priorität haben muss.

Welcher deiner Vorstösse des vergangenen Jahrs bedeutet dir am meisten?
Letztes Jahr reichte ich unter anderem das Postulat mit dem Titel «Wirksame Präventivmassnahmen gegen die perversen Auswirkungen von Sprachsteuerungssystemen: Gesundheit der Arbeitenden vor Profiten» ein. Die Antwort des Bundesrats auf den Vorstoss war in meinen Augen wirklich nicht befriedigend. Die Arbeitsbedingungen im Logistiksektor sind sehr anstrengend geworden, führen oft zu Burnouts und betreffen in der Schweiz gegen 3000 Arbeiter*innen.

Welcher deiner Vorstösse dieses Jahrs bedeutet dir am meisten?
Die Interpellation ‹13. Monatslohn für alle Arbeitnehmenden›. Entgegen der Meinung eines grossen Teils der Bevölkerung gibt es noch sehr viele Berufe, die keinen 13. Monatslohn erhalten. Dies ist zum Beispiel in Sektoren ohne Gesamtarbeitsvertrag wie bei Reinigungsunternehmen der Fall. Wenn zum Beispiel Gemeinde- und Kantonsverwaltungen oder die Bundesverwaltung die Reinigung ihrer Gebäude durch ein Subunternehmen durchführen lassen, erhalten die Angestellten dieser Firmen, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, keinen 13. Monatslohn. Die Aufnahme einer solchen Bestimmung ins Obligationenrecht wäre das geeignete Mittel, um das Ziel, die Gleichstellung aller Arbeitnehmenden in unserem Land zu erreichen. Aus Erfahrung wissen wir und die Praxis zeigt, dass diese festgefahrene Situation eine offensichtliche Ungerechtigkeit für eine prekäre Berufsgruppe ist, in der Angestellte häufig über keine Qualifikationen verfügen. Es reicht nicht aus, den Sozialpartnern das Feld zu überlassen. Es ist daher zwingend notwendig, dass der Staat interveniert und diese Ungerechtigkeit und stossende Lücke beseitigt. Der Bundesrat hat diese Interpellation noch nicht beantwortet.

Welche Mitglieder des Parlaments unterstützen deine Interpellation ‹13. Monatslohn für alle Arbeitnehmenden› und dein Postulat ‹Mehr Transparenz beim Compenswiss-Portfolio›?
Im Nationalrat werden meine Vorstösse meistens von der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion unterstützt. Dazu muss gesagt werden, dass die Zusammensetzung des Rats in der laufenden Legislatur derart rechts ist, dass die Linke praktisch immer gleich abstimmt.

Worum geht es beim Postulat ‹Mehr Transparenz beim Compenswiss-Portfolio›?
Obwohl die Ausgleichsfonds AHV/IV/EO (Compenswiss) fast 35 Milliarden Franken schwer sind, wird noch immer nur lückenhaft über die Anlagen der Fonds informiert. Compenswiss soll regelmässig offenlegen müssen, welche ausländischen Unternehmen und Länder in der Form von Staatsanleihen in ihrem Portfolio vertreten sind. Die Organisation nimmt nicht teil am Pilotprojekt des Bundesamts für Umwelt und des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen, das es ermöglicht, die klimatischen Auswirkungen der Investitionen von Versicherern und Pensionskassen zu bewerten. Jedoch betont der Bundesrat (in der Antwort zu einem anderen Vorstoss zum Thema) den guten Willen von Compenswiss, was verantwortungsbewusste und nachhaltige Anlagen angeht, da Compenswiss dem Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-Asir) beigetreten sei. Na ja, die Mitgliedschaft in diesem Verein stellt zwar einen Mehrwert für das Image der Compenswiss dar, es steht ihr aber frei, den Empfehlungen des Vereins zu folgen oder nicht. Und in den Ausschluss-Empfehlungen auf der Website des SVVK-Asir werden nur 15 Unternehmen genannt und diese sind allesamt in der Rüstungsindustrie tätig. Es werden weder Unternehmen aufgeführt, die zur Gruppe der 100 Gesellschaften zählen, die allein für mehr als 70 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich sind, noch solche genannt, die sich schwere arbeitsrechtliche Fehltritte erlauben.

Wie fiel die Antwort des Bundesrats aus?
Der Bundesrat will die Transparenz nicht gewähren. Er erachtet es nicht als angebracht und unverhältnismässig, Compenswiss zu verpflichten, weiter gehende Informationen über ihre Vermögensverwaltung zu veröffentlichen, da dies mit sehr hohem Aufwand und Mehrkosten verbunden sei. Er will sich nicht in die operative Verantwortung des Verwaltungsrats einmischen. Der Bundesrat beantragt dem Rat die Ablehnung, das Postulat wurde noch nicht behandelt.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Bundesrat keine grosse Lust zeigt, sich ernsthaft mit deinen seriös erarbeiteten Vorstössen auseinanderzusetzen und deine Arbeit anzuerkennen.
Im Lauf jeder Session werden sehr viele Fragen, Interpellationen, Motionen und Postulate eingereicht. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die Departemente des Bunds sie ungleich behandeln. Es sind vielmehr die dominierenden Medien, die systematisch die gleichen Parlamentarier*innen auswählen, um ihren Vorstössen mehr Gewicht zu geben.

Beeinflusst bewusster oder unbewusster Antikommunismus gegenüber unserer Partei die Wahrnehmung deiner Person und deiner parlamentarischen Arbeit und die Reaktionen auf sie?
Ich denke nicht, dass meine Zugehörigkeit zur Partei der Arbeit den Rest des Parlaments beeinflusst oder negative Reaktionen hervorruft. Das ist wahrscheinlich so, weil ich der einzige Gewählte der Partei bin. Sollten wir in Zukunft einmal eine Fraktion bilden können, könnten die Reaktionen heftiger ausfallen.

Welche Vor- und Nachteile hat deine Mitgliedschaft in der Grünen Fraktion?
In der aktuellen Situation ist es unabdingbar, einer Fraktion, in meinem Fall der Grünen, anzugehören. Das erlaubt mir den Zugang zu einer Parlamentarischen Kommission, aktuell zur Aussenpolitischen Kommission. Oder präzier: Um eine Fraktion zu bilden, braucht es mindestens fünf Ratsmitglieder, und nur Fraktionen haben Zugang zu den Kommissionen. Meine Zugehörigkeit zur Grünen Fraktion erlaubt mir auch den Zugang zu ihrem Sekretariat. Dieser ist unbedingt nötig angesichts der Masse an Dokumenten und Dossiers, die wir bewältigen müssen. Mein Verhältnis zu den Mitgliedern der Grünen Fraktion ist übrigens sehr angenehm und respektvoll, sie lassen mir totale Freiheit bei der Stimmabgabe. Andererseits bringt die Situation auch Nachteile: Weil Journalist*innen mich regelmässig als Nationalrat der Grünen bezeichnen, muss ich das sehr oft bei Interviews richtigstellen und betonen, dass ich gewählter Parlamentarier der Partei der Arbeit / Parti ouvrier et Populaire und Mitglied der Grünen Fraktion bin.

Welche Vorstösse planst du im Moment?
Im Monat März reichte ich eine Motion betreffend Pflanzenschutzmittel ein, «Mehrwertsteuer auf Pflanzenschutzmitteln». Darin verlange ich vom Bundesrat, dass er Pflanzenschutzprodukte der normalen und nicht der reduzierten Mehrwertsteuer unterstellt. Der reduzierte beträgt 2,5 Prozent, der Normalsatz 7,7 Prozent. Wird die Motion angenommen, ist das ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Vielen Dank für das interessante Interview,
Genosse!

Aus der Ausgabe vom 26. April 2019 des