Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau* und Mann* (GlG) wurde revidiert. Die Änderung trat per 1.Juli 2020 in Kraft mit dem Ziel, den verfassungsrechtlichen Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit durchzusetzen. Was taugt diese Änderung wirklich?

Das seit dem 1.Juli 1996 gültige Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (GIG) sollte die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit erleichtern. Trotz dieses Artikels besteht noch bis heute ein unerklärter Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Das Projekt «Lohngleichheitsdialog», bei dem zwischen 2009 bis 2014 der Bund und die sogenannten «Sozialpartner» zusammen diskutierten, blieb weitgehend erfolglos. Nur wenige Unternehmen wollten sich im Rahmen dieses Programms zu Lohngleichheit freiwillig überprüfen lassen. Gestärkt werden konnte hingegen «die Sensibilisierung für die Lohngleichheit», so das Fazit auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz.

Resultate veröffentlichen
Da freiwillige Massnahmen nicht gegriffen hatten, beschloss der Bundesrat, die verfassungsrechtliche Lohngleichheit mit zusätzlichen staatlichen Massnahmen durchzusetzen. So verabschiedete das Parlament am 14.Dezember 2018 eine Änderung des GIG, das sogenannte «Arbeitgeberinnen» und «Arbeitgeber» mit 100 oder mehr Mitarbeitenden in ihrem Unternehmen verpflichtete, alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Überprüfung erfolgt dann durch eine externe Stelle.
Seit Juli 2020 ist das revidierte Gleichstellungsgesetz nun in Kraft. Das Ergebnis soll dann gegenüber den Mitarbeitenden und Aktionär*innen öffentlich gemacht werden. In der Praxis sieht der Plan in Richtung Lohngleichheit wie folgt aus: Bis Ende 2021 muss die erste Lohnanalyse durchgeführt werden. Fällt die Anzahl der Angestellten im Betrieb unter 100, so wird die Lohngleichheitsanalyse erst wieder durchgeführt, wenn die geforderte Zahl erreicht ist. Erste Resultate bezüglich Lohngleichheit werden bis spätestens Ende Juni 2023 vorliegen. Zeigt die Lohngleichheitsanalyse, dass die Lohngleichheit erreicht ist, so werden die Arbeitgeber*innen von der Pflicht zur Offenlegung der Löhne befreit. Und was geschieht, wenn Analyse Lohnungleichheiten ergibt? Nichts! Es sind keine Strafen vorgesehen.
Trotzdem macht das Verfahren Sinn – jedenfalls schreibt das Bundesamt für Justiz auf seiner Internetseite: «Durch die betriebsinterne Analyse der Löhne werden die Unternehmen für Lohngleichheitsfragen sensibilisiert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass zahlreiche Unternehmen daraufhin freiwillig regelmässige Lohngleichheitsanalysen durchführen.»

Lohngefälle noch da
Das Bundesamt für Statistik (BFS) schreibt auf seiner Internetseite, dass die Lohnungleichheit zwischen Frauen* und Männern* allmählich abnimmt. Laut den Resultaten der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2018 des BFS verdienten im privaten Sektor Frauen* insgesamt 14,4 Prozent und im öffentlichen Sektor 11,4 Prozent weniger als Männer*. In der Gesamtwirtschaft belief sich das Lohngefälle zwischen Frauen* und Männern* im Jahr 2018 auf 11,5 Prozent. 2016 lag es noch bei 12,0 und 2014 bei 12,5 Prozent. Das Amt analysierte, dass diese geschlechterspezifischen Lohnunterschiede sich teilweise durch strukturelle Merkmale und unterschiedliche Tätigkeiten erklären lassen. Damit sind bestimmte tiefbezahlte Arbeiten in spezifischen Wirtschaftszweigen gemeint oder unterschiedliche Bezahlung je nach Verantwortungsniveau am Arbeitsplatz. Es gibt also eine «ungleiche berufliche Eingliederung des weiblichen und männlichen Personals auf dem Arbeitsmarkt», ist im Bericht zu lesen. Ein weiterer Missstand ist folgender: Je höher die Hierarchiestufe der Stelle, desto grösser fällt der geschlechterspezifische Lohnunterschied aus. So verdienten Frauen* in Stellen mit hohem Verantwortungsniveau 8872 Franken brutto pro Monat, während Männer* auf derselben Stufe 10893 Franken erhielten, was einer Differenz von 18,6 Prozent entspricht. Anders ist die Situation bei Arbeitsstellen mit niedrigerem Verantwortungsniveau: Hier war das Lohngefälle zuungunsten der Frauen* weniger ausgeprägt (9,4 Prozent). Bei Frauen* ohne Kaderfunktion belief sich das Gefälle auf 7,6 Prozent.

Keine Sanktionen bei Ungleichheit
Es gibt viele Situationen in der Arbeitswelt, in denen Lohnungleichheit vorherrscht. Ein Projekt der Fachstellen für Gleichstellung in der Deutschschweiz erstellte auf der Internetseite gleichstellungsgesetz.ch eine Datenbank mit Fällen. Hier findet sich das Beispiel von einer Spitalmitarbeiterin, die erfährt, dass ein neuer Mitarbeiter mehr verdient als sie. Sie macht eine Lohndiskriminierung geltend. Der Betrieb gleicht die unterschiedlichen Löhne nicht an. Erst als die Frau zur Schlichtungsbehörde geht, handelt der Betrieb.
Allgemein sehen feministische Aktivist*innen die Situation rund um die Lohngleichheit und deren Massnahmen nicht positiv. «Sie wünschen sich ein aktives und bindendes Gleichstellungsgesetz mit Lohngleichheitsrecht und nicht nur eine unverbindliche Analyse, die mangels Sanktionen kaum Veränderungen bringt oder möglicherweise viele Jahrzehnte hierfür brauchen wird», lautet der Text der aktuellen Petition «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit jetzt in der Schweiz» auf change.org. Gestartet hat sie die Aktivistin Diana Mendolia, die in keiner Gruppe organisiert ist. «Das Thema benötigt mehr Aufmerksamkeit, eine Beschleunigung», so Mendolia auf Anfrage des vorwärts. Sie ergänzt: «Es braucht 50000 Unterschriften. Ich arbeite daran».

Nur 1 Prozent muss Analyse durchführen
Auch der Gewerkschaft Unia genügt die Revision des Bundesgesetzes nicht. Es ist so, dass nur 1 Prozent aller Unternehmen eine Lohnanalyse dur-chführen müssen. In der Schweiz gibt es nicht viele Betriebe mit 100 Angestellten. Sanktionen sind keine vorgesehen und das Gesetz läuft nach 12 Jahren aus. In einer Medienmitteilung vom 30.Juni 2020 forderte die Gewerkschaft alle Unternehmen – auch diejenigen mit weniger als 100 Mitarbeitenden – dazu auf, die Lohngleichheit in ihrem Unternehmen zu überprüfen und nötige Korrekturen vorzunehmen. Die Unternehmen sollen bei der Überprüfung der Lohngleichheit die Personalkommissionen oder Arbeitnehmendenvertretungen in den Prozess einbeziehen. Leena Schmitter, Mediensprecherin der Gewerkschaft Unia, erklärt auf Anfrage des vorwärts: «Die Arbeitgeber und ihr verlängerter Arm im Parlament blieben stur und verabschiedeten ein ungenügendes Gleichstellungsgesetz. Es missachtet die von Frauen seit Jahren vorgebrachte Forderung eines griffigen Instrumentariums für die Umsetzung der Lohngleichheit.»