Mit einer Überbrückungsrente soll das Los älterer ausgesteuerter Arbeitsloser gemildert werden. Das Anliegen fand in den Räten Mehrheiten. Doch nun hat ein Komitee bestehend aus SVP-Mitgliedern das Referendum ergriffen.

Er soll allenthalben doch noch stattfinden und zwar auch in Zeiten bürgerlicher Vorherrschaft: der Ausbau der Sozialwerke – und das erst noch auf Drängen des Bundesrats. Zumindest wenn man der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) glauben mag. Beide bezeichneten die Anfang Juni in beiden Kammern angenommene Überbrückungsrente als «neues Sozialwerk» oder «Sozialausbau». Dabei ist das Projekt, welches das Los von ausgesteuerten Arbeitslosen lindern soll, alles andere als neu. Schon im Oktober 2011 wurde die Überbrückungsrente im Kanton Waadt eingeführt. So bekommen Personen, die wenige Jahre vor ihrer Pensionierung den Anspruch auf ihre Arbeitslosenversicherung verlieren und ausgesteuert werden, eine Rente, um bis zum Pensionsalter überbrücken zu können.
Dass diese Rente nun auch im Rest des Landes kommen soll, stört so manche Bürgerliche. Vor allem in einer Partei machte man mobil, um die Überbrückungsrente wieder zu kippen.

Der Sinneswandel?
Zu Beginn kündigte die SVP noch an, dass man als Partei natürlich gegen die Überbrückungsrente das Referendum ergreifen werde. Dann kam Corona und damit wurde alles anders. Am 28.Juni kommunizierte die SVP, das Referendum doch nicht ergreifen zu wollen. Man werde sich stattdessen auf die Initia-tive zur Kündigung der Personenfreizügigkeit konzentrieren, die am 27.September zur Abstimmung kommt. Am 9.Juli dann die Überraschung: Exponent*innen aus der SVP (die Co-Präsidien des Komitees stammen aus den Reihen der Partei) ergreifen doch noch das Referendum. Woher der Sinneswandel? «Ganz einfach: Wir wollten der Bevölkerung Gelegenheit geben, über die Schaffung dieses neuen Sozialwerks abzustimmen», erzählt Mike Egger, SVP-Nationaltrat (SG) und einer der sechs SVP-Co-Präsident*innen des Komitees, dem vorwärts.
Laut Egger sei es auch problematisch, dass nur sehr wenige von den Notrenten profitieren würden. Tatsächlich würden laut den Plänen für die Rente «nur» 3400 Betroffene von Notrenten in Höhe von insgesamt 150 Millionen profitieren. Ursprünglich war geplant, dass zumindest für bis zu 4600 ältere Langzeitarbeitslose Renten in Höhe von 230 Millionen zur Verfügung gestellt werden sollen. Doch die bürgerliche Ratsmehrheit setzte gegen den Widerstand der Linken den Rotstift an. So haben nur Personen, die mit 60 oder später ausgesteuert werden, Anspruch auf Überbrückungsleistungen. Ursprünglich zählte der Nationalrat alle 60-jährigen Ausgesteuerten, unabhängig vom Zeitpunkt der Aussteuerung, zum potenziellen Kreis von Bezüger*innen dazu. Überbrückungsleistungen beantragen können Personen, bei denen das Reinvermögen weniger als 50000 Franken (für Alleinstehende) und 100000 Franken (für Ehepaare) beträgt.
Bei der SVP argumentiert man, dass zu grosszügige Renten arbeitslose Ältere auf dem Arbeitsmarkt unattraktiv machen würden. Die Überbrückungsrente ist für das Komitee sodann eher auch eine «Entlassungsrente» – dementsprechend fällt Eggers Forderungskatalog aus, wenn er auf mögliche Mittel zur Lösung des Problems Altersarbeitslosigkeit angesprochen wird: «Beispielsweise mit dem Vorantreiben der Flexibilisierung des Rentenalters oder mit der Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen.»

Total unwürdig
Ältere sind nicht überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen. Ab einem gewissen Alter wird es jedoch immer schwieriger, eine Stelle zu finden. Dementsprechend ist das Risiko für Arbeiter*innen von über 55 Jahren, in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen, besonders gross. Damit verbunden sind auch die möglichen heftigen sozialen und gesundheitlichen Folgen. Deshalb ist die Einführung einer Überbrückungsrente aus gewerkschaftlicher Sicht von grosser Bedeutung, wie uns Unia-Kommunikationsleiter Serge Gnos im Gespräch erklärt: «Wir haben das Problem, dass Arbeitnehmer*innen kurz vor der Pension entlassen werden – und sie fallen dann nach zwei Jahren, eben nach der Aussteuerung, in die Sozialhilfe». Man dürfe nicht vergessen, dass hier Sozialhilfe bedeutet, dass man sein ganzes Vermögen aufbrauchen müsse. «Das sind Menschen, die 30, 40 Jahre lang gearbeitet haben, ihre Pension geplant haben – und die müssen dann kurz vor Rentenbeginn ihr ganzes Erspartes aufbrauchen? Das ist total unwürdig.»

Ausweg aus der Armut
Zusätzlich führe dieser Teufelskreis in die Altersarmut, bei der trotz jahrzehntelanger Erwerbsarbeit gerade einmal das absolute Minimum in der Pension zur Verfügung stehe. Laut Gnos spiele die SVP ein doppeltes Spiel: «Sie sagen, sie hätten nichts damit zu tun. Dann kommt ein Referendumskomitee aus ihren Reihen und SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi wirbt dann auf den sozialen Medien für das Referendum. Das ist doch nicht glaubwürdig.»
Dazu kommt: Die Arbeitslosigkeit – auch bei den Älteren – wird in den kommenden Monaten vermutlich angesichts der wirtschaftlichen von der Covid19-Pandemie ausgelösten Krise ansteigen. Gerade die vergleichsweise teuren, älteren Kolleg*innen könnten so aus Spargründen vom Arbeitsmarkt ge-drängt werden. Die Einschränkungen des Parlaments, was die Zahl jener angeht, bei denen man bereit ist, per Notrente zu helfen, ist vor diesem Hintergrund noch unsinniger und beweist auch, dass eine Überbrückungsrente nur eine Notlösung sein kann. Mit der Überbrückungsrente wird die Situation von älteren Arbeitslosen verbessert und die Rente könnte ein Mittel zur Bekämpfung von Altersarmut werden. Doch es wäre an der Zeit, mit einem ausgebauten Kündigungsschutz zu verhindern, dass ältere Angestellte überhaupt erst arbeitslos werden. Und stünde der Ausbau des Kündigungsschutzes auf der Agenda, wäre eine von der SVP offen geführte Gegenkampagne so sicher wie das Amen in der Kirche.