Aus dem Flugblatt der PdAS zur eidgenössischen Abstimmung vom 2.-3. Dezember 1972

Leider konnten diese Korrekturen den Alten, Witwen und Waisen nur mangelhafte, zum Teil auch ungleiche Hilfe bringen, weil die anhaltende Teuerung deren Wert zum vornherein verminderte. Ein grösserer Teil der Bezüger steht dauernd vor grossen und sich verschärfenden Schwierigkeiten materieller wie auch seelischer Art, bedrängt durch Alter, der Ungewissheit über die Zukunft, der Einsamkeit und oft auch durch eine schwindende Gesundheit.

Angesichts der anhaltenden Teuerungsflut, der Mietzinserhöhungen, der steigenden Belastung durch Krankheit und der tiefgehenden Enttäuschung, welche die magere 7. Revision der AHV brachte, hat die Partei der Arbeit unmittelbar danach den Entschluss gefasst, eine eidgenössische Initiative für eine wirkliche Volkspension zu starten. Diese bezweckt die Errichtung einer echten materiellen Sicherung der Alten, Invaliden und Hinterlassenen. Diese Versicherung soll allgemeingültig, obligatorisch für alle sein und jedem Versicherten ein Minimum von 60 % des höchsten Einkommens der besten fünf Jahre des Erwerbseinkommens garantieren. Die Renten werden laufend der Teuerung angepasst. Die Initiative ·«Für eine wirkliche Volkspension» wurde rasch abgeschlossen und konnte am 2. Dezember 1969 eingereicht werden.

  1. AHV-Revision ausgelöst

Diese soziale Aktion kam zur rechten Zeit. Sie entsprach einem Bedürfnis, das sich mehr und mehr zwingend aufdrängte. Der Widerhall war denn auch beträchtlich. Der Bundesrat sah sich gezwungen zu handeln und er bestellte eine Expertenkommission, welche aber das Problem nicht etwa einer wirklichen Volkspension sondern einer «betrieblichen Altersvorsorge» zu studieren hatte.

Die Initiative der Partei der Arbeit löste anderseits auch zwei weitere Initiativen aus. Die eine wurde von der Sozialdemokratischen Partei, unterstützt durch den Gewerkschaftsbund am 18. März 1970, die andere, eine sogenannte «überparteiliche» , also «bürgerliche» , am 13. April 1970 eingereicht.

Seit 1970 wurde unter dem Druck der öffentlichen Meinung und der Entwicklung letztendlich die achte Revision der AHV in Angriff genommen. Trotzdem diese Revision ungenügend ist, bringt sie bemerkenswerte Verbesserungen. Im Juni 1972 wurde sie von den beiden Räten gut geheissen und wird am 1. Januar 1973 in Kraft treten.

Somit hat, und dies anerkennen selbst Ihre Gegner, die Initiative «Für eine wirkliche Volkspension» die 8. Revision der AHV direkt ausgelöst und eine sofortige Prüfung des ganzen Problems der Alterssicherung erreicht.

Wie weit sind wir nun heute?

Wenn verschiedene Initiativen zur selben Sache abgegeben werden, so muss nach Gesetz die zuerst eingereichte behandelt werden. Deswegen wird am 2.-3. Dezember über die Initiative der Partei der Arbeit abgestimmt. Diese ist aber nicht alles, denn das Volk ist aufgerufen, sich zu einem Gegenentwurf des Parlamentes zu äussern, der im Gegensatz zur Initiative steht.

Tatsächlich hat sich der Bundesrat – die Operation wurde gut «vorbereitet» – den Schlussfolgerungen einer Expertenkommission angeschlossen, zugunsten des 3-Säulensystems (AHV + betriebliche Pensionskassen + individuelles Sparen). Er wurde treu und brav vom Parlament sekundiert. Die Mehrheit der beiden Räte hat in zweien Malen, anfangs 1971 sowie im Juni 1972 über einen neuen Verfassungsartikel abgestimmt. Er beinhaltet das Prinzip der 3-Säulen-Theorie mit sehr ungenauen Formulierungen, die, wie die offiziellen Erklärungen sagen «verschiedene Anwendungsmöglichkeiten» zulassen.

Die Abstimmung vom 2.-3. Dezember stellt den Wähler vor eine präzise Entscheidung. Der Initiative «Für eine wirkliche Volkspension» steht der Gegenvorschlag des Bundesrates für eine 3- Säulen-Theorie gegenüber. Das Volk ist aufgerufen zu entscheiden. Es ist zu beachten, dass Stimmzettel mit 2 x Ja ungültig sind.

Um jede Unklarheit zu vermeiden, die 8. AHV-Revision ist eine beschlossene Sache. Die zwei weiteren Initiativen, welche nach derjenigen der Partei der Arbeit eingereicht wurden, sind einstweilen «ausser Kurs». Sie werden eventuell erst später einmal zur Abstimmung kommen, wenn sie nicht wie erwartet zurückgezogen werden.

Schicht von Privilegierten

So ist die Situation am Vorabend der Abstimmung vom 2.-3. Dezember. Wenn wir ausdrücklich beim Gegenentwurf vor allem von der 2. Säule sprechen und nicht von der dritten so deshalb, weil die 2.Säule mit ihren Fehlern und Unbekannten im Zentrum des hinkenden Gegenentwurfes gegen die einer wirklichen Volkspension steht. Anderseits ist es für jedermann klar, dass die 3. Säule – das individuelle Sparen – nur aufgeführt wurde, um den Gegenentwurf aufzupolieren. Es ist offensichtlich, dass Leute mit kleinem Einkommen nicht sparen können und die Ersparnisse von Leuten mit mittlerem Einkommen werden mager sein. Die dritte Säule ist somit nur für eine kleine Schicht von Privilegierten von Belangen.