Aus dem vorwärts vom 3. Juni 1994

Fast auf den Tag genau vor vier Jahren, am 18. und 19. Mai 1990, hat sich die PdA in Genf zu einer ausserordentlichen Parteikonferenz getroffen. Es galt zu entscheiden, wie man nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus weitermachen wollte. Aus dem Auf und Ab der vergangenen vier Jahre und der Vielfalt der politischen Praxis der heute neun Kantonalsektionen eine Kontinuität herauslesen zu wollen, ist zwar schwierig. Die anstehende 50- Jahr-Feier verlangt aber geradezu nach einer Zwischenbilanz.

Im Gegensatz zu anderen Linksformationen hatte sich die PdA 1990 gegen die Auflösung und für einen Prozess der Erneuerung entschieden. Nur in der Tessiner Kantonalpartei hat sich eine Grössere Gruppe von GenossInnen für den anderen Weg entschieden und ist in die SP übergetreten. Die grosse Mehrheit der PdA- Mitglieder klinkte sich in die Diskussion um ein neues Parteiprogramm ein. Der Versuch, andere Linkskräfte in diese Debatte einzubeziehen scheiterte jedoch. Im Mai und im Oktober 1991 musste deshalb die Arbeit am Programm «Bewegung für den Sozialismus» im Wissen abgeschlossen werden, dass die gewünschte Bewegung nicht einfach durch eine Neukomposition bestehender Kräfte entstehen konnte.

Weniger erfolgreich als die Programmdiskussion war die PdA bei der Umsetzung anderer Themen der 90er- Konferenz. Am auffallendsten ist sicher das vorläufige Scheitern des Versuchs einer feministischen Erneuerung der Partei. Der Beschluss der Partei das Mikrofon zu quotieren- nach jedem Mann sprach eine Frau- blieb eine Eintagsfliege. Und mit der in die Statuten aufgenommenen Quotierung der Gremien tut sich die Partei in der Praxis schwer. Fast eine logische Folge dieser Probleme war das Scheitern der im September 1990 von der PdA lancierten Quoteninitiative. Vor allem für die Deutschschweizer Sektionen hatte diese Niederlage verheerende Auswirkungen. Nach dieser Niederlage war es für viele umso überraschender, als die PdA sich ein Jahr später mit einem Referendum in der nationalen Politik zurückmeldete. Das Referendum gegen die vom Parlament in den dringlichen Bundesbeschluss zur Krankenversicherung eingeführte Spitaltaxe war zwar alles andere als das Ergebnis eines demokratischen Entscheidungsprozesses. Der neue Stern am westschweizer PdA-Himmel, Joseph Zysiadis, war der grosse Vater dieses nicht unumstrittenen Projekts. Der Partei gelang es jedoch, im Oktober und November 1992 70`000 Unterschriften zu sammeln.

Der Sammelerfolg hatte weitreichende politische Konsequenzen. Die PdA, die ein Jahr zuvor von der SPS und den Gewerkschaften aus der Vorbereitung der AHV- Initiative ausgebootet worden war (die PdA hatte einen grossen Teil der Vorarbeit für das Volksbegehren geleistet, das eine Verschiebung der Altersvorsorge von der 2. Zur 1. Säule verlangt), klinkte sich mit dem Spitaltaxreferendum just zu dem Zeitpunkt wieder in die sozialpolitische Auseinandersetzung ein, in dem das Bürgertum den grossen Angriff auf die Sozialversicherung einleitete. Die Intervention von links zwang SP und Gewerkschaften in der Folge dazu, mit dem Kurs des «Kompromisses um jeden Preis» vorsichtiger umzugehen. Das klare Nein der Linken zur Erhöhung des Frauenrentenalters ist ein Ergebnis dieses Prozesses. Die Abstimmung über das Spitaltaxenreferendum im Herbst 1993 zeigte dann jedoch, dass die PdA noch nicht in der Lage ist, die nötigen Kräfte für eine nationale Abstimmungskampagne zu sammeln. Das mangelnde Gewicht der Partei in der Deutschschweiz und die auch in diesem Fall sichtbare Abgrenzung der anderen Linkskräfte von der PdA verhinderten, dass mit dem Spitaltaxreferendum die durchaus aktuelle Frage der Unentgeltlichkeit des Gesundheitswesens thematisiert werden konnte.

Die Isolierung und die mangelnde Verankerung der PdA in der Deutschschweiz ist auch einer der Gründe für die nach wie vor fehlende linke Fraktion im Nationalrat. 1987 war die alte POCH/PSA/PdA- Gruppe gesprengt worden. 1991 scheiterte der Versuch der Grünalternativen, mit dem Projekt «Die andere Schweiz» (DaCH) eine nationale Kraft links der SP und der Grünen zu formieren. Im DaCH- Verbund war die PdA von den deutschschweizer Grünalternativen nur geduldet worden, weil man sich ohne den Genfer PdA Präsidenten Jean Spielmann beim besten Willen keine 5er Gruppe im Nationalrat vorstellen konnte. Es kam alles ganz anders: DaCH konnte nur die FraP-Vertreterin Chris Goll (Zürich) nach Bern schicken, die sich dann der SP Fraktion anschloss. Die PdA hingegen baute mit einem Sitzgewinn in der Waadt ihre Stellung aus.

Das Ergebnis der Nationalratswahlen ist auch Ausdruck eines grossen Dilemmas der PdA. Im Welschland hat sich die Partei als Vertreterin der kämpferischen Linken mit Wucht in den Parlamenten zurückgemeldet. In der Genfer Linksallianz könnten gar Frühformen der im PdA- Programm geförderten Bewegung für den Sozialismus erkannt werden. In der Deutschschweiz hingegen bewegt sich die antikapitalistische Linke parlamentarisch nach wie vor im Niemandsland. Hier scheinen die Unabhängigen Frauenlisten (UFF) das noch vorhandene WählerInnenpotential der POCH/PSA/PdA zu übernehmen. Das UFF Parlamentarierinnen sich nach den 95er- Wahlen mit der PdA zu einer Linksfraktion im Nationalrat vereinigen könnte, ist im Moment jedoch eher unwahrscheinlich. Einen Weg zurück in die nationale Politik wird es für eine systemkritische Linke in der Deutschschweiz deshalb nur über einen Wideraufschwung der ausserparlamentarischen Bewegungen geben.

Die Kampagne gegen die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht könnte ein Ansatz sein. Die PdA hat sich früh in diese Arbeit eingeklinkt. Neben dem Kampf gegen die Aushöhlung der sozialen Sicherheit scheint sie damit ihr Nein zum Neoliberalismus in einer konsequenten Opposition zur autoritären Umgestaltung des Staates zu konkretisieren. Die soziale Frage und die Ausgrenzung von AusländerInnen sind sicher nur zwei Politikbereiche, in denen SP und Grüne ein weites Feld für die Entwicklung einer konsequenten Linkspolitik offen lassen. Zufall ist es nicht, dass sich die PdA gerade in diesen beiden Bereichen neu profilieren konnte: Sozialpolitik und Solidarität (Antifaschismus) waren immer schon Schwerpunkte ihrer Politik. Um einem neuen politischen Projekt links der SP zum Durchbruch zu verhelfen, wird es aber nötig sein, die Isolation zu durchbrechen. Nur so können auch in anderen Politikbereichen Alternativen sichtbar gemacht werden. In ihrem Programm schreibt die PdA, wie so aus verschiedenen Komponenten eine Bewegung entstehen könnte.