In einem Artikel der NZZ vom 2. Mai werden zentrale Aspekte der Partei der Arbeit der Schweiz zum Krieg in der Ukraine verschwiegen. Dies führt zu einer wesentlichen Frage: Stellt man sich in den Dienst einer der beiden Kriegsparteien, wenn man die «Dinge» nicht wirklich sagt?
«Es ist allgemein bekannt, dass die Wahrheit eines der ersten Opfer eines Krieges ist. Auch die Berufsethik einiger Journalist*innen scheint manchmal ein Kollateralopfer zu sein», schreibt die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) in ihrer Stellungnahme vom 3. Mai. Grund ist der Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 2. Mai mit dem Titel «1. Mai im Zeichen des Krieges: Der russische Angriff auf die Ukraine führt in den linken Parteien zu Spannungen». Er stammt aus den Federn von Florian Schoop und Oliver Camenzind. Camenzind absolviert seit September 2021 ein Volontariat bei der NZZ. Am Freitagnachmittag, 29. April, stellte er per E-Mail der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) Fragen zum Krieg in der Ukraine. Er bat um Antworten bis am Sonntag gegen Mittag und wünschte der Partei «einen angenehmen 1. Mai». Wie freundlich.
Diametral entgegengesetzt
Camenzind bekam die Antworten rechtzeitig. Was er dann mit diesen anstellte, kommentiert die PdAS so: «Die NZZ zog es vor, die Position der PdAS auf eine Verteidigung von Wladimir Putin und der russischen Invasion zu reduzieren, anstatt sie präzise wiederzugeben. Camenzind nahm sich offensichtlich nicht die Zeit, die Antworten zu lesen oder den Inhalt in seinem Artikel wiederzugeben. Vielmehr disqualifizierte er unsere Analyse und warf uns mit der extremen Rechten in einen Topf.» Damit keine Unklarheiten über die Haltung der PdAS zum Krieg in der Ukraine aufkommen, sind die ausführlichen Antworten auf pda.ch veröffentlich worden.
Camenzind verliert kein Wort darüber, dass die PdAS mehrmals den Krieg Russlands gegen die Ukraine sehr deutlich und unmissverständlich verurteilt. Keine Beachtung finden auch weitere zentrale Aussagen in den Antworten der PdAS wie: «Wir müssen dafür kämpfen, diese Konfrontation zu beenden und nicht uns unter dem Banner eines der beiden imperialistischen Blöcke zu scharen.» Stattdessen sind im NZZ-Artikel Sätze zu lesen, die diametral entgegengesetzt zur Position und den konkreten Antworten der PdAS stehen, wie zum Beispiel: «Zur USA-Skepsis mische sich manchmal auch eine gewisse Russland-Freundlichkeit, so etwa bei der PdA.»
Nichtssagend und widersprüchlich
Wie manipulativ und journalistisch fragwürdig die NZZ mit den Antworten der PdAS arbeitete, zeigt folgendes Beispiel. Die PdAS hält fest: «Joe Biden, wir erinnern uns, unterstützte den Krieg im Irak. Und er war Vizepräsident von Barack Obama, als dieser Libyen in ein Trümmerfeld verwandelte, das den Kriegsherren überlassen wurde. Er hat somit mehr Blut an seinen Händen als Wladimir Putin. Nichts davon rechtfertigt jedoch die russische Invasion.» Zu lesen ist dann in der NZZ: «Und sowieso: US-Präsident Joe Biden habe wegen des Kriegs im Irak und des Konflikts in Libyen ‹mehr Blut an seinen Händen als Wladimir Putin›». Der NZZ- Volontär lässt den Satz «nichts davon rechtfertigt jedoch die russische Invasion» bewusst weg und stellt somit die Aussagen über das Blut an den Händen Bidens und Putins in ein komplett anderes Licht.
Der vorwärts fragte bei Camenzind nach, warum er diesen Satz weg liess, warum nirgends erwähnt wird, dass die PdAS den Krieg verurteilt und sie auch festhält, dass die Schuld und Verantwortung des Kriegs bei Putin liegen. Der NZZ-Journalist weicht den Fragen aus, übt sich stattdessen im Nichtssagen: «Ich glaube nicht behauptet zu haben, dass die PdA die ‹Schuld und Verantwortung› am beziehungsweise für den Krieg nicht bei Putin verortet.» Und: «Überdies stand die Position der PdA zu Wladimir Putin nicht im Fokus unseres Interessens. Es ging vielmehr um die Position der PdA zur Nato, den USA und dem ‹Westen› insgesamt. Alles andere steht, so meine ich, in unserem Text. Aus diesem Grund möchte ich mich weiter nicht zu der Sache äussern.» Die Antwort beinhaltet zudem einen klaren Widerspruch, denn eine der Fragen Camenzinds an die PdAS lautete: «Anders gefragt: Warum legen Sie solchen Wert darauf, Russland zu verteidigen?»
Die zwei Arten, die Wahrheit zu sagen
Der NZZ ging es selbstverständlich nie darum, die Position der PdAS aufzuzeigen oder sie kritisch zu hinterfragen. Von den Antworten der PdAS pickte sich Camenzind genau jene Passagen aus, um die PdAS in die Ecke zu stellen, in die er sie bereits vor dem Schreiben des Artikels gestellt hatte: in jene der sogenannten «Putin-Versteher*innen».
Es stellt sich die Frage nach dem Warum einer solchen Berichterstattung. Einerseits spielt der Antikommunismus eine Rolle, der seit je her ein zentraler Pfeiler der Berichterstattung der NZZ ist. Camenzind fügt sich hier nahtlos ein – auch wenn er der PdAS einen «angenehmen 1. Mai» wünschte. Anderseits ist die PdAS davon überzeugt, dass «der Frieden nur über den Weg des Dialogs und der Diplomatie» erreicht werden kann. Dies wird in der Berichterstattung des medialen Flaggschiffs des Bürgertums verschwiegen. Es scheint offensichtlich nicht der Weg zu sein, der die NZZ und ihr Klientel als sinnvoll erachtet. Denn: Gibt es einen anderen Grund, um einen fundamentalen Aspekt der Aussagen der PdAS nicht zu veröffentlichen, heisst zu verschweigen? Die «Alternative» zum Dialog und der Diplomatie ist die komplette militärische und wirtschaftliche Vernichtung einer der beiden Kriegsparteien – mit der entsprechenden horrend hohen Zahl an Opfer von Menschenleben, materielle Schäden und Zerstörung der Umwelt.
Der NZZ führt allen wieder mal vor Augen, dass es zwei Möglichkeiten gibt, die Wahrheit zu sagen: Wahre Dinge sagen und die Dinge wirklich zu sagen. So sind im Artikel «wahre Dinge» zu lesen, wie etwa, dass die PdAS der Nato als mitschuldig des Kriegs in der Ukraine sieht. Doch die «Dinge» werden nicht wirklich gesagt. Es wird verschwiegen, dass die PdAS den Krieg verurteilt und sich auch klar betreffend Schuld und Verantwortung geäussert hat. Eine Frage sei an dieser Stelle erlaubt: Stellt man sich nicht in den Dienst einer der beiden Kriegsparteien und somit des Kriegs, wenn man die «Dinge» nicht wirklich sagt?