Leonardo Schmid. Eine Schweizer Delegation der Internationalen Solidaritätsmission des Weltfriedensrats reiste nach Venezuela, um sich vor Ort ein Bild über die Situation im Land zu machen. Ist die Situation wirklich so schlimm, wie bei uns in den bürgerlichen Medien erzählt wird? Ein Bericht.

Die Schweizer Delegation an die Solidaritätsmission in Venezuela bestand aus vier Personen, die folgende Organisationen vertraten: ALBA Suiza, Vereinigung Schweiz-Cuba, Schweizerische Friedensbewegung, Partei der Arbeit und Kommunistische Jugend. Am Flughafen in Caracas wurden wir von der Jugend der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (JPSUV) und die Kommunistische Jugend Venezuelas (JCV) empfangen und begleitete uns dann eine Woche lang auf, während wir das Land von Chávez und Maduro entdeckten. Wir hören oft von Venezuela, als ob es eine der brutalsten Diktaturen wäre und als ob die humanitäre Krise Opfer ohne Ende fordern würde. All die Medien, die das Elend und den Krieg in den zahlreichen afrikanischen, asiatischen und sogar lateinamerikanischen Ländern ignorieren, scheinen sich jedoch fast täglich um Venezuela zu sorgen. Ist die Situation in Venezuela also so schlimmer? Oder liegt das Problem anderswo?

Nicht alle Probleme gelöst
Nach unserem Aufenthalt in Venezuela muss ich zugeben, dass der bolivarische Sozialismus nicht alle Probleme gelöst hat. Das Leben ist in vielerlei Hinsicht sicherlich härter als in der Schweiz. Das Land befindet sich in einer grossen Wirtschaftskrise und es existiert organisierte Kriminalität. Doch trotzdem kehre ich in unsere Breitengrade zurück mit der festen Überzeugung, dass der von Hugo Chávez eingeleitete revolutionäre Prozess unterstützt werden muss.
Die linke Regierung, unterstützt von der Koalition Gran Polo Patriotico Simon Bolivar, hat in den letzten 20 Jahren der Revolution den immensen natürlichen Reichtum des Landes genutzt, um die Lebensbedingungen der ärmsten sozialen Schichten deutlich zu verbessern. Unter dem Chavismus wurde damit begonnen, den Sozialstaat auszubauen, statt weiterhin die Ressourcen des Landes an multinationale Unternehmen zu verkaufen. Dieses «Verbrechen» ist es, das Trump und seine Gefolgsleute in Lateinamerika und Europa antreibt, alles zu tun, um das Land zu destabilisieren. Es tobt ein imperialistischer Wirtschafts- und Medienkrieg. Neulich wurde die Sabotage des Stromnetzes inszeniert, als erneuter Versuch, das Volk gegen seine Regierung aufzubringen. Aber entgegen den Erwartungen hält das Volk zunehmend an Präsident Maduro fest. Die venezolanische Arbeiter*innenklasse ist sich bewusst, dass die Schwierigkeiten durch die Wirtschaftsblockade und den schmutzigen Krieg verursacht werden. Doch die bisher 2,6 Millionen Wohnungen, die an ebenso viele Familien übergeben wurden, und die landesweite Verteilung von Lebensmitteln zu Niedrigstpreisen, stärken das Vertrauen in die Regierung.

Im Gespräch mit Arbeiter*innen
Die Gewerkschaftsdelegierten des Elektrizitätsunternehmens Corpoelec of Caracas (verstaatlicht durch Chávez) haben uns leidenschaftlich erklärt, wie Maduro garantiert hat, dass der Sozialismus in den kommenden Jahren vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht gestärkt wird. Um eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, reicht es nämlich nicht, Wahlen zu gewinnen.
Die Genoss*innen der JCV haben bekräftigt, wie trotz 20 Jahre linker Regierung der Klassenkampf fortbesteht und die Wirtschaft immer noch weitgehend kapitalistisch ist, angefangen beim Bankensektor.
Jacobo Torres, ein in die Verfassungsgebende Versammlung gewählter Arbeiter, erklärt, wie in Venezuela ein Klassenkampf auf drei Ebenen geführt wird: «In öffentlichen Unternehmen gibt es einen Kampf gegen das Erbe der bürgerlichen Ideologie, die Bürokratie, Korruption und Ineffizienz schafft. In den ausbeuterischen privaten Unternehmen gibt es einen Kampf um mehr Rechte und bessere Lebensbedingungen und schliesslich gibt es einen landesweiten Kampf gegen den Imperialismus, der die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen des Landes zurückgewinnen will.»
Das venezolanische Volk konnte Vertreter*innen wählen, die nicht dem Imperialismus unterworfen sind und stattdessen die Selbstorganisation des Volks unterstützen. Der bolivarische Sozialismus besteht aus einer Politik der Umverteilung mittels Sozialprogrammen, aus der kostenlosen Bildung und Gesundheitsversorgung für alle sowie aus dem Bereitstellen von Unterkunft, Wasser und Strom. Die revolutionäre Regierung entwickelte ein Modell der partizipativen Demokratie, bei dem soziale Bewegungen angehört und unterstützt werden, anstatt sie zu unterdrücken, wie dies in den meisten Ländern der Welt geschieht. Wer heute eingreifen will, um das Land zu destabilisieren, ist zum Scheitern verurteilt, die Linke hat keinen Zweifel daran, dass der einzige legitime Präsident Venezuelas, Nicolas Maduro, eine Barrikade gegen die Barbarei bildet.

 
Aus der Ausgabe vom 16. Mai 2019 des