Die skandalösen Arbeitsbedingungen beim Paketliefergiganten DPD in der Schweiz sind keine Ausnahme. Auch im Ausland macht der Konzern Negativschlagzeilen. Trotz hervorragender Umsatzzahlen sollen die Angestellten für noch mehr Gewinn ausgepresst werden.
Paketdienste haben in den letzten Jahren immer stärker sowohl den Detailhandel als auch die Post in die Mangel genommen. Aber spätestens mit Corona sind die Player auf dem Markt endgültig ökonomisch angekommen. Der wohl bekannteste der Lieferbarone ist Jeff Bezos, der bis zu seiner Scheidung letztes Jahr der reichste Mensch der Welt war. Amazon, für das er als CEO amtet, hat an den Börsen von 1785 Punkten im März 2020 auf 3090 Punkte im März 2021 aufgeholt. Ein weiterer Profiteur der Krise ist das Verpackungsunternehmen DPD (ehemals Deutscher Paket Dienst, heute Dynamic Parcel Distribution). Der Konzern beschäftigt weltweit 75000 Angestellte, die einen Umsatz von elf Milliarden Euro erwirtschaften. Zumindest in Europa ist man damit Marktführer.
Doch die Führungsriege des Unternehmens wünscht sich noch mehr: Im März kündigte sie an, dass man eine Verdopplung des Profits in den nächsten fünf Jahren anpeilt. Und für diese kapitalistische Interpretation eines Fünfjahresplans müssen die Arbeiter*innen des Betriebs leiden. Schon heute sind die Arbeitsbedingungen lausig. Die Gewerkschaft Unia berichtet von nicht bezahlten Überstunden, überlangen Arbeitszeiten, grossem Stress – und keinem Einsehen des Betriebs. Auf die Missstände angesprochen schiebt DPD die Verantwortung auf extern angestellte Subunternehmen ab.
Ausgebeutet durch den französischen Staat
Es gibt insgesamt 80 solcher Subunternehmen, durch die DPD die Arbeitsbedingungen für Paketzusteller*innen verschlechtert. Dabei zeigt der Konzern eindrücklich, wie wenig es bringt, wenn ein Betrieb im Besitz des Staates aber nicht im Besitz der Belegschaft ist: Die DPD ist eine Tochtergesellschaft der französischen Gruppe La Poste, die sich ihrerseits im Besitz der Republik Frankreich befindet. Die Ausbeutung bei DPD trägt aber auch sonst gesamteuropäischen Charakter: Auch in den Nachbarländern sorgte der Konzern in den letzten Monaten für Schlagzeilen. In Österreich steht der Paketriese wegen nicht vor der Haustür abgelieferten Zustellungen in der Kritik. So haben immer mehr Kund*innen sich beschwert, Pakete nicht erhalten zu haben. Ein Zettel wurde an den Türen angebracht, dass sich niemand zuhause befunden habe. Dies obwohl wegen des Lockdowns unzählige Kund*innen zuhause sind und bestätigen können, dass nicht an der Haustüre geklingelt worden ist.
Laut der österreichischen Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida liegt auch dies an den Arbeitsbedingungen: Die Zusteller*innen haben pro Zustellung in aller Regel nur drei bis vier Minuten Zeit. Dauert es ein paar Minuten, bis die Tür geöffnet wird, kann das den ganzen Arbeitsplan über den Haufen werfen. Und auch in Österreich geht die Prekarisierung mit der Maskierung der Verantwortlichkeiten über Subunternehmen einher. Viele von ihnen werden pro Paket bezahlt. Je länger eine Zustellung dann braucht, desto kleiner wird der Stundenlohn.
Hort der Gesetzlosen
Und auch in Deutschland macht der Konzern seit Jahren mit schlechten Arbeitsbedingungen Schlagzeilen. Schon 2017 organisierten die Paketbot*innen von DPD bei der Firmenzentrale im unterfränkischen Aschaffenburg einen Protest. Die Vorwürfe der Angestellten waren damals beinahe deckungsgleich mit denen aus der Schweiz: So dürften ins Fahrtbuch nicht die tatsächlichen Arbeitszeiten eingetragen werden. Wer um 5 Uhr mit dem Sortieren der Pakete beginnt, soll erst ab 8 Uhr eingetragen sein. Mittagspausen wurden auch dann eingetragen, wenn Fahrer*innen diese wegen des Stressses gar nicht halten können. Während der Konzern Milliardengewinne macht, seinen Umsatz heuer gegenüber dem Vorjahr gar um 42 Prozent steigern konnte, werden die Arbeiter*innen kleinlich um das geprellt, was ihnen zusteht. 2019 führte der Zoll gar bundesweite Razzien bei Paketunternehmen durch. Dabei wurde festgestellt, dass bei 2000 von 12000 Fahrer*innen Verstösse festgestellt wurden. Mehrheitlich Lohndumping, doch manche Verstösse waren so gravierend, dass die deutsche Presse die Razzien kommentierte, indem die Paketzustellbranche als «Hort der Gesetzlosen» bezeichnet wurde.
Eine verfaulte Branche
Was die Angestellten bei DPD erleiden müssen, kennen auch ihre Kolleg*innen aus vergleichbaren Betrieben. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon beispielsweise stehen schon seit Jahren in heftiger Kritik. Um immer grösser werdende Profite zu sichern, wird besonders in stressigen Zeiten mit hohem Paketaufkommen die Ausbeutung der Angestellten verschärft. Zu normalen Zeiten äussert sich das in Streiks bei Paketdiensten, die man vor allem aus der Weihnachtszeit kennt. Doch Corona hat die Entwicklung beschleunigt, dass Paketdienste dem Detailhandel den Rang ablaufen und so müssen die Lieferant*innen mit ganzjährigen Stosszeiten mit lausigsten Arbeitsbedingungen leben. Um die Milliarden von Kapitalist*innen wie Bezos zu garantieren, werden Prekarisierte sowieso schon um jeden Groschen betrogen, möglichst viel von ihrer Arbeitskraft ausgebeutet. Um Dumpingpreise zu garantieren, werden die Belegschaften Opfer von Lohndumping.
Mit ihren Methoden verbreiten Player wie DPD ihre miesen Arbeitsbedingungen zusätzlich in der Branche. Wer nicht mitmacht, kann nicht mit den Preisen der Konkurrenz mithalten. Wer hier als Unternehmen überleben will, wird früher oder später solche Methoden übernehmen – oder untergehen. Dies während die skrupelloseren Konzerne die Marktanteile der untergegangenen Unternehmen unter sich aufteilen – und noch mehr Profit erzielen.