Am 21. Januar 1924 starb Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt unter dem Namen Lenin. Unter seiner Führung fand die Oktoberrevolution statt. In Gedenken an Lenin deshalb ein kurzer Überblick von der Februarrevolution, über die Oktoberrevolution, hin zum ersten sozalistischen Staat.

Die Februarrevolution

Am 23. Februar 1917 brach ein grosser Streik aus in St. Petersburg, der damaligen russischen Hauptstadt, der sich schliesslich zum Generalstreik entwickelte. Der Zar befahl der Armee, auf die Menge zu schiessen. Aber diese stellte sich auf die Seite der Aufständischen. Am 27. Februar übernahm der Petersburger Arbeiter- und Soldatensowjet das Taurische Palais, den Sitz der Duma, und er hätte die Staatsmacht erlangen können. Aber der Sowjet war von den Sozialrevolutionär*innen und den Menschewiki dominiert, die am Dogma festhielten, dass die Revolution gegen den Zarismus nur eine bürgerliche sein und sie deshalb nur von der Bourgeoisie ausgeführt werden könnte, die dann in einer bürgerlichen Demokratie münden müsste. Alle parlamentarischen Gruppierungen in der Duma, ausgenommen den rechtsextremen Monarchist*innen, kamen in der Nacht auf den 28. Februar zusammen, um ein provisorisches Komitee der Staatsduma zu bilden und die zaristische Herrschaft zu ersetzen. Am 2. März wurde eine provisorische Regierung unter der Leitung von Fürst Lwow, einem Kadetten, konstituiert. Am Tag darauf dankte Nikolaus II. ab zugunsten seines Bruders, Grossfürst Michail, der seinerseits ein paar Tage später zurücktrat. Die Dynastie der Romanows, die Russland während drei Jahrhunderten regiert hatte, war gestürzt. Am 27. März verliess Lenin die Schweiz, wo er als politischer Flüchtling gelebt hatte, um die Führung des revolutionären Kampfes in Russland zu übernehmen.

Doppelherrschaft

Fortan war Russland eine bürgerlich-demokratische Republik und laut Lenin das vorläufig «freieste Land Europas» (im Sinne, dass die Provisorische Regierung nicht in der Lage war, einen strikten Ausnahmezustand aufrechtzuerhalten wie andere Kriegsländer). Es unterstand für kurzer Zeit sogar einer «linken» Regierung, an deren Spitze der Sozialrevolutionär Alexander Kerenski stand. Diese Konstellation konnte die Probleme des Landes nicht lösen und die Forderungen der Bevölkerung nicht befriedigen. Man hatte zuvor versprochen, Frieden zu schliessen, aber nun beschloss die Regierung, den Krieg «bis zum Sieg» fortzuführen. Die Wirtschaft des Landes lag in Trümmern, eine Hungersnot drohte, die ArbeiterInnen lebten im extremen Elend. Die Regierung hatte nicht vor, dem abzuhelfen. Auch die versprochene Agrarreform, die Hauptforderung der Bauernschaft und die zentrale Losung der Sozialrevolutionär*innen vor der Revolution, wurde nicht vollzogen. Gleichzeitig entstand im Land eine Situation der Doppelherrschaft. Offiziell war die Provisorische Regierung die Spitze des Staates. Aber ihre Macht war wackelig und stützte sich nur auf einen Staatsapparat, den sie vom Zarismus geerbt hatte und im Zerfall begriffen war. Die Provisorische Regierung konnte sich nur solange halten, wie sie von der anderen Macht, die im Land präsent war, akzeptiert wurde: Die Sowjets der Arbeiter*innen, Bäuer*innen und Soldat*innen, die eine reelle Basis in der Bevölkerung wie in der Armee hatten. Die Sowjets wurden zuvor mehrheitlich von den Menschewiki und den Sozialrevolutionär*innen kontrolliert, die sich weigerten, die Revolution gegen das Joch der bürgerlichen Legalität zu wenden. Sie lähmten damit die Handlungsfähigkeit der Sowjets und halfen der Provisorischen Regierung, an der Macht zu bleiben. Die Bolschewiki kämpften derweil unter der Parole «Alle Macht den Sowjets!» im Bewusstsein, dass sie darin in der Minderheit waren. Dadurch sollte die Macht schnell in die Hände der Arbeiter*innen und Bäuer*innen übergehen und eine Volksdemokratie entstehen, die auf der Koexistenz von mehreren Parteien, die dem Sozialismus positiv gesinnt waren, ruhen würde. Dieses Szenario kam nicht zustande, aufgrund der Politik der Menschewiki und Sozialrevolutionär*innen, die ihren revolutionären Thesen objektiv den Rücken gekehrt hatten und um jeden Preis an der Kollaboration mit der Bourgeoise festhielten.

Die Oktoberrevolution

Diese Situation konnte keinen Bestand haben. Am 3. Juli liess die Provisorische Regierung ihre loyalen Truppen auf eine Versammlung der Bolschewiki schiessen, was 400 Tote und Verletzte zur Folge hatte. Sie versuchte, ebenfalls Lenin wegen Hochverrats zu verhaften, ohne Erfolg. Die Bourgeoisie wollte sich nun nicht mehr mit einer unsicheren provisorischen Regierung begnügen und setzte alles auf die Errichtung einer Militärdiktatur. Der Putsch unter General Lawr Kornilow, der dank des Einsatzes der Bolschewiki scheiterte, kündete das Ende der Herrschaft von Kerenski an. Ein Aufstand war notwendig geworden, um die Revolution zu retten. Die Provisorische Regierung wurde am 25. Oktober (bzw. am 7. November nach unserem Kalender) gestürzt. Die Hauptstadt befand sich in den Händen der revolutionären Truppen und der Bolschewiki. Am 26. Oktober wurde der 2. Allrussische Sowjetkongress eröffnet, an dem die Bolschewiki nun die Mehrheit stellten. Der Kongress nahm das Dekret über den Frieden, das den sofortigen Friedensschluss unter fairen Bedingungen für alle beteiligten Nationen verkündete, und das Dekret über den Grund und Boden an, das alles Landeigentum ohne Kompensation dem Volk übergab. Der Kongress wählte ausserdem einen Rat der Volkskommissare, die erste revolutionäre Regierung Russlands, mit Lenin an der Spitze. Die Revolution weitete sich schnell auf den Grossteil des Landes aus, oft mit Gewalt, manchmal ohne auf Widerstand zu stossen. Anfang Juli 1918 nahm der 5. Allrussische Sowjetkongress die erste Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik an, die die Basis der Macht der Arbeiter*innen und Bäuer*nnen und des Sozialismus bildete. Der erste Arbeiter- und Bauernstaat der Geschichte war geboren.