Wir, die Bürger von Genf und darüber hinaus, starten den Genfer Appell („Geneva Call“; „Appel de Genève“), um die sofortige Freilassung von Julian Assange zu fordern. Der WikiLeaks-Gründer befindet sich in strenger Isolation im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Im Falle einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten droht im dort eine Haftstrafe von 175 Jahren. Sein einziges Verbrechen ist, dass er die Wahrheit gesagt hat! 

Dieser Text vom 4. Juni 2021 wird durch einen neuen Aufruf ergänzt, der am 22. Juni 2022 von schweizerischen und internationalen Journalisten- und Verlegerverbänden sowie Chefredaktoren lanciert wurde und die gleichen Ziele verfolgt, wie sie hier dargelegt sind. Eine Liste der Initiatoren finden Sie hier.

Hier unterzeichnen: https://www.change.org/p/die-britischen-beh%C3%B6rden-genfer-appell-f%C3%BCr-die-sofortige-freilassung-von-julian-assange

Im Namen der Achtung der unveräußerlichen Menschenrechte und Werte, für die sich die in Genf ansässigen Menschenrechtsorganisationen einsetzen, bitten wir:

  • – die britischen Behörden, die Auslieferung von Julian Assange zu verweigern und seine Freiheit wiederherzustellen.
  • die US-Regierung, die Anklage gegen Julian Assange unverzüglich fallen zu lassen.
  • alle demokratischen Staaten, einschließlich der Schweiz, Julian Assange einen sicheren Zufluchtsort vor weiterer Strafverfolgung für seine WikiLeaks-Veröffentlichungen zu gewähren.
  • Internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen in Genf, ihre Befugnisse und Kompetenzen zu nutzen, um zur Befreiung von Julian Assange beizutragen.
  • die Medien, weiterhin mutig, unabhängig und unparteiisch sowohl über den Fall Assange zu berichten als auch über dessen Auswirkungen auf die Meinungsäußerungsfreiheit und die Freiheit, zu recherchieren und zu publizieren.
  • die Menschen in Genf, der Schweiz und der Welt, den Genfer Aufruf für die sofortige Freilassung von Julian Assange zu unterstützen.

Am 4. Januar verweigerte die britische Justiz die Auslieferung von Julian Assange mit der Begründung, dass sein Leben im US-Gefängnissystem in Gefahr sein würde. Argumente zu Transparenz und Julian Assanges Recht auf Veröffentlichung wurden jedoch zurückgewiesen. Eine Berufung des US-Justizministeriums ist anhängig und das Risiko einer Auslieferung bleibt bestehen – zusammen mit der Gefahr beispielloser Einschränkungen der Pressefreiheit.

Julian Assange befindet sich seit mehr als einem Jahrzehnt in willkürlicher Haft unter Bedingungen, die laut dem UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, „psychologische Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ darstellen.

Julian Assange wird in den USA wegen 17 Anklagepunkten (plus einem weiteren) unter dem Espionage Act strafrechtlich verfolgt, einem über 100 Jahre alten Gesetz, was ihn für 175 Jahre ins Gefängnis bringen könnte. Sein Vergehen? Die Veröffentlichung von rund 700.000 geheimen Dokumenten – insbesondere zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan –, oft in Zusammenarbeit mit großen Medien wie der New York Times, The Guardian, Le Monde und dem Sender ABC.

Er enthüllte ein Video der US-Armee, das das Massaker an einem Dutzend Zivilisten, darunter zwei Journalisten, aus einem Hubschrauber zeigt. Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente deckten Handlungen und Einsatzmethoden auf, die gegen die Genfer Konventionen und die Menschenrechte verstoßen. Keiner dieser Verstöße und keines der Kriegsverbrechen wurde strafrechtlich verfolgt, während die Person, die sie enthüllt hat, seit mehr als zehn Jahren der Verfolgung ausgesetzt ist. Dies ist das ultimative Paradoxon, eine eklatante Verweigerung der Gerechtigkeit, eine Beleidigung der Menschenwürde und eine schuldhafte Missachtung der Rechtsstaatlichkeit. 

Julian Assange muss sofort freigelassen werden, denn es gibt keine Rechtfertigung dafür, ihn so lange in fast vollkommener Isolation zu halten. Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen prangert seit mehr als fünf Jahren die illegale Inhaftierung von Julian Assange an. Heute verschlechtert sich sein körperlicher und geistiger Gesundheitszustand nach Aussagen von Zeugen, die ihn besuchen konnten, erheblich. Im Namen des Respekts vor den Menschenrechten und den Traditionen, Normen und Werten, die von den in Genf ansässigen humanitären Organisationen gefördert werden, muss Julian Assange unverzüglich freigelassen werden.

Julian Assange muss sofort freigelassen werden, weil seine Enthüllungen einem grundlegenden und wesentlichen öffentlichen Interesse dienen. Die Bürger haben nicht nur ein Recht zu wissen, sie müssen es wissen. Schon der Gedanke an Spionage, der durch die Anwendung des Spionagegesetzes in diesem Fall hervorgerufen wird, ist absurd. Der Gründer von WikiLeaks hat bewiesene Informationen von offensichtlichem öffentlichem Interesse publiziert. Damit hat er einen lobenswerten Akt der Transparenz vollbracht, der genau das Gegenteil zu einem Akt der Spionage darstellt. Julian Assange hat von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Dieses Recht wird sowohl durch den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung als auch in jeder Demokratie garantiert. Der WikiLeaks-Redakteur hat Informationen von grundlegendem öffentlichem Interesse publiziert, die der Staat selbst im Rahmen seiner Informationspflicht gegenüber seinen Bürgern hätte offenlegen müssen. Julian Assange hat einen einzigartigen und bemerkenswerten Beitrag zum Journalismus im öffentlichen Interesse, zur Transparenz und zur Rechenschaftspflicht der Regierung geleistet. Sein mutiger und hartnäckiger Beitrag wurde von der Gemeinschaft der Medien und der freien Meinungsäußerung weithin anerkannt, die Julian Assange mit einigen der renommiertesten Journalismus-Preise ausgezeichnet hat. 

Julian Assange muss sofort freigelassen werden, weil das Verfahren gegen ihn investigative Journalisten auf inakzeptable Weise bedroht und unter Druck setzt. Die Hetzkampagne gegen den Wikileaks-Gründer und die schweren Vorwürfe gegen ihn sind eine Warnung an alle Whistleblower oder Journalisten, die geheimes Material veröffentlichen wollen. Es ist ein ernsthaftes Hindernis für die Suche nach den Fakten und der Wahrheit.

Eine Verurteilung von Julian Assange wäre die ultimative Bestätigung von beispiellosem Machtmissbrauch und hätte verheerende Folgen für die Meinungsfreiheit und den Journalismus. Jede Verbreitung von Geheimdokumenten durch einen Journalisten oder Whistleblower, egal in welchem Land, würde dann kriminalisiert werden.  Das US-Spionagegesetz ist so weit gefasst, dass schon das bloße Lesen eines Presseartikels, den die USA für schädlich für die Interessen des Landes halten, einen Verstoß gegen das Gesetz darstellen könnte.

Wir, die Bürgerinnen und Bürger von Genf und anderswo, starten diesen Appell für die Freilassung von Julian Assange an diesem Tag des 4. Juni 2021 in Genf, der Stadt des Friedens und der Verhandlungen, der Wiege des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, dem Sitz unzähliger internationaler und nichtstaatlicher Organisationen, die sich für die Achtung unserer grundlegenden Freiheiten einsetzen.