Die Schweiz ist auf bestem Wege dazu, einen beschämenden Rekord aus dem Jahr 2011 zu brechen: die Summe der Kriegsmaterialexporte ins Ausland. Aber nicht genug: Dem Bundesrat ist ein reibungsloser Kriegsablauf wichtiger als der Schutz der Zivilbevölkerung.

501 Millionen Franken! Das ist die Summe, für welche die Schweiz zwischen Januar und Juni 2020 Waffen exportiert hat. Dies ist ein Anstieg von 184 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Schlimmer noch: Die Schweiz exportierte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast so viele Waffen wie im gesamten Jahr 2018. Bei diesem Tempo könnte der besorgniserregende Rekord von 2011 mit 873 Millionen durchaus geschlagen werden. Thomas Bruchez, politischer Sekretär der GSoA, kommentiert diesen Anstieg folgendermassen: «Die deutliche Zunahme ist nicht nur schockierend in Bezug auf die internationale Rolle der Schweiz, sondern auch in Bezug auf das Verhalten der Rüstungsindustrie. Seit Jahren klagt sie darüber, wirtschaftlich zu leiden, um eine Lockerung der Exportkriterien zu erreichen. Und jetzt, in einer Zeit, in der viele Betriebe ums Überleben kämpfen, geht es ihr blendend. Das ist widerlich!»

Schweizer Waffen morden in der ganzen Welt
Wie bereits seit mehreren Jahren versorgt die Schweiz die kriegführenden Länder im Jemenkrieg weiterhin mit Kriegsmaterial. So wurden beispielsweise Waffen im Gesamtwert von fast fünf Millionen Franken nach Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Bahrain exportiert. Doch nicht nur Ausfuhren in die kriegsführenden Staaten auf der arabischen Halbinsel stellen ein ernstes Problem dar. Die Schweiz hat Waffen im Wert von fast einer halben Million Franken nach Pakistan exportiert, während dort die Situation mit dem indischen Nachbarn äusserst angespannt bleibt. Die Eidgenossenschaft hat auch Waffenexporte nach Brasilien im Wert von fast 18 Millionen Franken genehmigt, obwohl dort unter der Ägide von Präsident Bolsonaro die Menschenrechtsverletzungen zunehmen. Auch die Waffenexporte nach Israel sind höchst problematisch: Der Plan zur teilweisen Annexion des Westjordanlands von Netanjahu steht trotz seiner Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft weiterhin auf der Tagesordnung.

Vermeiden oder beschränken?
Krieg bedeutet ein unheimliches Leiden vor allem für die Zivilbevölkerung. Man könnte meinen, es sei Aufgabe des Bundesrats, dieses Leid zu lindern. Falsch gemeint! Zurzeit wird an einer internationalen politischen Erklärung gearbeitet, die einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor Explosivwaffen in besiedelten Gebieten vorsieht. Diese Erklärung, die auf dem humanitären Völkerrecht basiert, wird von mehr als 20 Staaten und zahlreichen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft verfasst. Die Erklärung soll bis Ende 2020 fertiggestellt und den Staaten zur Unterzeichnung vorgelegt werden.
Ein strittiger Punkt ist die Frage um folgende Formulierung, sprich Forderung: «Vermeidung des Einsatzes von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten» oder lediglich die «Beschränkung des Einsatzes» solcher Waffen festzuschreiben. Der Bundesrat hat sich für die schwächere Formulierung ausgesprochen. Der Nationalrat der Grünen Nicolas Walder wollte durch seine Interpellation vom Bundesrat wissen, warum er sich für die Beschränkung statt für den Verzicht entschieden hatte. Die Antwort der Regierung: «Damit die Erklärung Auswirkungen auf den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten hat, muss sie breite Unterstützung finden, insbesondere von Staaten, die an militärischen Operationen beteiligt sind. Dies ist nur möglich, wenn die Erklärung nicht als eine übermässige Einschränkung der Verteidigungskapazitäten von Staaten angesehen wird.» Auf den Punkt gebracht: Für den Bundesrat ist der reibungslose Ablauf eines Krieges wichtiger als der Schutz der Zivilbevölkerung. Auch hier: Wie widerlich!