Es gibt eine schlechte Nachricht: Der konservativ ausgerichtete Supreme Court hebt in den USA das fast 50 Jahre alte Grundsatzurteil «Roe v. Wade» auf. Damit gibt es keine nationale Richtlinie mehr zum Schwangerschaftsabbruch. Umso wichtiger ist es jetzt, die Frauen*rechte zu schützen – und zwar weltweit.

«Roe gegen Wade» ist eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, die der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 1973 fällte. Dem Roe versus Wade ist ein Strafgesetz des US-Bundesstaats Texas zum Thema Schwangerschaftsabbruch vorausgegangen. Der Name selber ergibt sich aus dem anonymisierten Namen der klagenden Frau (Jane Roe) und dem Namen eines texanischen Bezirksstaatsanwalts (Henry Wade).

Zusammenfassend gaben die Entscheidung und das Urteil zu Roe v. Wade Frauen das Recht, über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Besonders zu beachten ist dabei, dass das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch gegen staatliche Interessen am Schutz der Gesundheit der werdenden Mutter und am Schutz des werdenden Lebens abgewogen werden muss. Als Ergebnis dieser Abwägung band der Supreme Court das Abtreibungsrecht der US-Bundesstaaten an die drei Trimester der Schwangerschaft. Während des ersten und zweiten Trimesters durften Abtreibungen nicht verboten werden. Es konnten jedoch Vorschriften erlassen werden, welche die Gesundheit der Schwangeren schützten. Das heisst: Bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus konnten Frauen abtreiben – also bis zur 23. oder 24. Schwangerschaftswoche. Ab Beginn des dritten Trimesters trat der Schutz des zunehmend lebensfähigen Fötus in den Vordergrund und die Bundesstaaten durften Abtreibungen verbieten. Eine Ausnahme war, wenn Leben oder Gesundheit der Mutter gefährdet waren.

Frauenrecht gekippt

Nun hat das Oberste Gericht der USA das Leit-urteil zur Legalisierung der Abtreibung «Roe v. Wade», gekippt. Jetzt gibt es keine nationale Leitlinie mehr zur Abtreibungsfrage. Die Gliedstaaten können Abtreibungen künftig ganz verbieten oder auch bis zur Geburt erlauben. Kurz nach dieser historischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sind bereits in etlichen Gliedstaaten Abtreibungsverbote in Kraft getreten. Beispielsweise sind in Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Louisiana Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt. Teilweise ist dies auch bei Vergewaltigungen und Inzest der Fall. Ausnahmen gibt es nur für medizinische Notfälle. Andere liberalere Staaten wollen das Recht auf Abtreibung weiter schützen. So ist die Situation heute, dass in manchen Bundesstaaten Frauen weiterhin abtreiben dürfen, während es in anderen unmöglich geworden ist. Folge davon ist, dass Frauen mit entsprechenden finanziellen Mitteln in liberalere Bundesstaaten reisen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wobei einige Staaten auch dies verbieten wollen, wie auch die «Beihilfe» wie das Hinfahren zu einer Abtreibung oder dessen Finanzierung zum Beispiel der Eltern für eine minderjährige Tochter.

Dieser Grundsatzentscheidung würde vor allem ärmere Frauen, jüngere Frauen und Frauen mit geringerer Bildung treffen. Also Frauen, die nicht die Mittel oder die Möglichkeit haben, in einen anderen Staat zu fahren, um dort abzutreiben. Die betreffenden Frauen werden sich in Zukunft wohl an Personen wenden, die unsachgemässe Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Zudem ist davon auszugehen, dass betreffende Staaten auch Daten von Zyklus-Apps, SMS oder Messengern benutzen werden, um Abtreibungen nachweisen zu können.

Risiko für Gesundheit und Leben

Die Organisation Médecins sans frontières (MSF) schrieb auf der Seite aerzte-ohne-grenzen.de, dass wahrscheinlich eine von drei Frauen in ihrem Leben einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt. 45 Prozent der weltweiten Schwangerschaftsabbrüche sind unsichere Abbrüche. Diese Massnahmen sind oft lebensgefährlich. Grund dafür ist, dass ein sicherer Abbruch unmöglich ist und oftmals per Gesetz verboten. So bleibt vielen Frauen und Mädchen nur gefährliche Methoden, um abzutreiben. Ein Schwangerschaftsabbruch gilt als unsachgemäss, wenn er von Personen vorgenommen wird, die nicht über das nötige Wissen und die entsprechend erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Ein Risiko ist auch, wenn der Abbruch an einem Ort stattfindet, der nicht den medizinischen Mindeststandards entspricht. Nach Médecins sans frontières werden jedes Jahr mehr als 25 Millionen Schwangerschaften unsicher abgebrochen. Dabei sterben mehr als 22800 Frauen und Mädchen an den Folgen. So gesehen sind diese Schwangerschaftsabbrüche einer der fünf Hauptgründe für Müttersterblichkeit weltweit. Mit dem folgenschweren US-Entscheid wird sich die Zahl wohl erhöhen.

Ein schlechtes Zeichen

Dass das Oberste Gericht der USA das Leiturteil zur Legalisierung der Abtreibung, «Roe v. Wade», gekippt hat, betrifft nicht nur die Vereinigten Staaten selbst; es ist schlechtes Zeichen für die ganze Welt. Abtreibungsgegner*innen weltweit werden dadurch angespornt. In der Schweiz beispielsweise erhält die Szene rund um den «Marsch fürs Läbe» Aufschwung. Für sie ist eine Abtreibung eine Menschenrechtsverletzung und Mord an Kindern. Wichtig ist jetzt, ein starkes Zeichen zu setzen und Frauenrechte zu schützen!